Japanische Gedichte – Tankas – Entstehungsphase 01 Quartal 2007

Die ausgetauschte Stoßstange

Wer immer vorne
steht und fährt, kriegt alles ab,
muss viel einstecken

An vorderster Front verschleißt
Schnell ist man auch schon ersetzt…

Klärende ernste Worte

Streitgespräch endet
Ist die Lage gewendet?
Macht der Diskussion

Nicht immer siegt die Sprache,
hat nicht stets das letzte Wort

Eine Pritsche für den Handwerksgesellen

Auf harter Planke
bettet sich, wer tagsüber
viel gearbeitet

Wenn man keine Ruhe kennt,
ruht man nächtens immer schlecht

Diamanten mit Sprengwirkung

Gewonnen mit Leid
Abgebaut auf Leichenberg
Minen der Hölle

An Blutsteinen klebt Unrecht
Ihr Glanz vergeht im Lichte

Ein Gnom in voller Körpergröße

Oftmals gehänselt
Sein Maß um so viel verkürzt
Um Wachstum beklaut

Ist Leib nicht ausgebildet,
muss Seele sich entfalten

Stehende Ovationen

Sie im Mittelpunkt
von all der Begeisterung,
des lauten Jubels

Zentrum der Aufmerksamkeit
Der Kern des Enthusiasmus

Die frisch Vermählten

Kurz nach dem Ja-Wort,
dem Versprechen fürs Leben
beginnt der Zweifel

War es die richtige Wahl?
Manch Fehler dauert länger…

Ein Henkersbeil wird geschärft

Funken am Schleifstein
Klinge nimmt ihre Form an
Schärfe surrt laut auf

Nicht weit entfernt das Schafott
Es kann alles mithören

Ein Stalker aus St. Louis

Er vergisst sie nicht,
sieht alle ihre Schritte,
fixiert sich krankhaft

Unheimlich im Auftreten
Die Aura des Verrückten

Ein Anzug wird zur ergonomischen Waffe

Schutz statt Abnutzen
Warum auf Verschleiß fahren?
Mensch im Mittelpunkt

Schutzkluft entwickelt sich zur
Panzerung mit Superkraft

Ein weißes Taschentuch als Zeichen

Sie ergaben sich
mit einem Tuch am Gewehr,
gestreckte Arme

Der erzwungene Frieden
ist besser als gar keiner

Der Neid auf ein normales Familienleben

So chaotisch sein
Tagesablauf geworden,
der Streit nimmt stark zu

Wäre es doch nur normal,
dann käme das Glück schon bald.

Sie finden ihn nie

Fahndungsplakate
Lange Sonderkommission
Ermittlungsarbeit

Wie vom Erdboden verschluckt
Komplett in Luft aufgelöst

Der Erschaffer von allem

Erdball mit Meeren
Sonnensystem in Bahnen
Das Universum

Geschaffen von dem Wesen
Das Licht des Weltenglanzes

Die Abnahme der Prüfung

Mal wieder Fragen,
deren Antwort keiner kennt,
abseitig unfair

Machtposition des Prüfers
tut dem Examen nicht gut

Der krankhaft neidische Freund

Erfolg anderer
konnte er nicht ertragen,
Missgunst zerfraß ihn

Schäbige Charaktere
werden immer klein bleiben

Hochmut fordert ein Leben

Überheblichkeit
verschätzt sich meistens immer
um ein Vielfaches

Richtig tragisch wird es dann,
wenn beglichen wird mit Tod

Eine offene Tür als Einladung

Sein Blick durchs Viertel
bleibt haften bei einer Tür:
Sperrangelweit auf!

Gelegenheit schafft Taten,
die es sonst so nicht gäbe

Der Baum der Weisheit

In seinen Ästen
Pulsierend grüne Blätter
Durch den breiten Stamm

Wer von den Früchten kostet,
dem wird Eingebung zuteil

Mit dem Bus nach Washington, D.C.

Aus dem ganzen Staat
haben sie sich versammelt
nur für ihren Zweck

Großdemonstrationszeichen
Stärke im Zusammenhalt

Baldwin, der Aufpasser

Wachsamer Wächter
Der mächtige Beschützer
Welch stummer Zeuge

Gesehen hat er sehr viel,
verhindert noch weitaus mehr

Das bulgarische Bonbon

In den Mund geführt,
im Hals stecken geblieben,
die Luft blieb schnell aus

Innerlich wie zugeschnürt
Von innen grausam erwürgt

Eine Macht, die man nicht kennt

Was wird geschehen?
Wer leitet die Geschicke,
lenkt das Schicksal um?

Kausalitäten völlig
unbekannt und unerforscht

Zeltkoller

Auf engstem Raume
von flatternden Zeltwänden
so schmal eingegrenzt

Decke fiele auf den Kopf,
wenn es denn eine gäbe…

Verräterischer Ohrsender

Stets eine Antwort
Um Replik nie verlegen
Das Wissen parat

Viele Personen denken,
nur ein Mund spricht alles aus

Alte Freunde sehen sich einmal wieder

Vertrautes Gesicht
in unbekannter Menge
lächelt einem zu

Sofort ist man wieder auf
der alten Wellenlänge

Die Halle der Verwundeten

Die Todesstimmung
liegt wie ein schwerer Schleier
über den Betten

Noch sind es nur Verletzte,
doch bald werden es Tote

Gefesselt und am Leben

Worin liegt der Wert
in einem Sklaven-Dasein?
Unfreiheit zerstört

Ist Leben um jeden Preis
immer das richtige Los?

Ein dumpfes Grollen aus der Ferne

Himmel entlädt sich
Naturstrom erhellt die Welt
Blitze zucken jäh

Schall kündigt von Gewalten
Die Trompeten des Donners

Schokolade als Heilmittel

Warum muss immer
Medizin so bitter sein?
Wirkt sie anders nicht?

Liegt denn nicht in der Süße
der Schlüssel zum Seelenheil?

Eine uneinnehmbare Festung

Auf dem Felsenberg
thront die Burg abgeschottet,
Meeresluft umweht

Landzunge wie Zugbrücke
Abhang wie ein Burggraben

Die harte Arbeit vor dem Weggang

Alles gegeben
Gekündigt, weggeworfen
Bitter ausrangiert

Job-Welt kennt kein Erbarmen
Die Ellbogen-Konkurrenz

Alle Polizisten eingeschlafen

Nach den Einsätzen,
überstandenen Nächten,
den vielen Schichten

fehlt jegliche Energie
und der innere Antrieb

Kriemhild singt ein Lied

Wasserspiegelbild
Am Teich so leise hallt es
Klingende Verse

Über den Feuerdrachen,
den Krieger, der siegen wird

Chiyoda: Bezirk der Regierung

Ein großes Viertel,
das Japan lenkt und leitet
durch alle Zeiten

Gleich bleiben Plätze und Ort
Probleme ändern sich schnell

Die Tochter der Senatorin

Der Ruf des Namens
eilt ihr wie Schall weit voraus:
Zum großen Nachteil!

Vom Schatten will sich lösen,
wer die Sonne zu sehr liebt.

Rallye in den zerklüfteten Verdugo Mountains

Drahtesel rollend
Anstrengend pedalierend
Pfade abfahrend

Wer ist eigentlich Gegner?
Die Steigung oder Schwerkraft?

Viele können mehr

Es fehlt der Elan
Motivation verflüchtigt
Kein Kampfgeist mehr da

Wer doch kann, aber nicht will,
versündigt sich an sich selbst!

Ein Kopf aus der Asche

Verbrannt zerfallen
Im Staub dann neugeboren
Aus dem Nichts erschafft

Der Phönix breitet Flügel
zu neuem Leben weit aus

Rache als Lebenskraft

Unrecht erlitten
Vor Gericht nichts erstritten
Verhallte Bitten

Abrechnung und Vergeltung
sind manchmal das Einzige

Tief genug, um unten rauszufallen

Tief hineingebohrt
In die Erde hinunter
Abwärts ins Dunkel

Nur noch ein bisschen weiter
und man fällt unten heraus…

Ein Sprint durch London

Alte Gebäude,
die Sehenswürdigkeiten
ziehen schnell vorbei

Bilderrausch an der Themse
Sinne werden bombardiert

Ominöser Kräftezuwachs

In der Mitte der
Bevölkerung ist Doping
nun angekommen

Gespritzte Muskelberge
sind keine Seltenheit mehr

Der Buckel des Brontosaurus

Mit dem längsten Hals
jemals in der Geschichte
riskiert man recht viel

Vielleicht ist Nackenstarre
der Grund für das Aussterben

Anarchisten genießen die neuen Zustände

Erst in Unordnung
blühen ihre Geister auf,
fühlen sie sich wohl

Das Chaos macht sie mächtig
Der Wahnsinn verleiht Stärke

Hagel zerstört die Ernte

In vollem Korn stand
der Weizen goldig aufrecht,
bereit zur Ernte

Es prasseln Eisesbälle
wie Bomben auf die Felder

Von Schmerzen und von Zähnen

Stechende Qualen
Wiederkehrend im Winkel
Ohnmacht vor dem Leid

Die kleine Nervenstelle
traktiert den ganzen Körper

Größtmögliche Euphorie

Der potenzierte
Glückszustand maximaler
Zufriedenstellung

Lange hält Moment nicht an
Der Absturz wird brutal sein!

So wirft man sich in Schale

Die Augen glänzen
Das Kleid schimmert sanft im Licht
Kette und Ohrring

Wie die Märchenprinzessin
tritt sie in den Ballsaal ein

Ein Schnösel wird umgeleitet

Er redet und blickt
in arroganter Manier
mit seinem Umfeld

Man lässt ihn gern auflaufen,
nimmt ihm den Wind aus Segeln

Ein Strom- und Laserverhör

Elektrofolter
Es fließt der Strom in Mengen
Kabel auf die Haut

Kurzschluss führt nicht zum Reden,
sondern zum sicheren Tod

Eine erfolgreiche Frau stürzt ab

Auf dem Höhepunkt
zerschellt das Flugzeug am Fels
Trümmer und Tote

Siege verleihen Flügel,
doch keine dauerhaften…

Ausnahme einer Regel ist der Bruch einer Regel

Gesetzmäßigkeit
kennt ihre Grenzen sehr gut,
weiß um die Lücken

Abweichung fordert heraus,
was in Stein gehauen ist

Ein begeisterter Baggerfahrer

Jung im Geiste sein
Das Kind in ihm will spielen
Träume ausleben

Der Löffel und sein Stiel sind
seine liebsten Spielzeuge

Der Fernsehkoffer

Technikmuseum
ermöglicht die Zeitreise
auf leichte Weise

Gigantische Fernseher,
groß wie Dinosaurier

Am Flughafen abgehängt

Den Flug zu kriegen,
den Stalker abzuschütteln,
alles rechtzeitig!

Der Urlaub beginnt mit Stress,
verspricht keine Erholung

Bis zum ersten Torsotreffer

Einfache Regel,
Duell der alten Schule,
bis zum ersten Blut

Die Klingen kreuzen sich laut
Der Schnitt markiert den Sieger

Nur auf ein Glas

Bei einem Glase
bleibt es meistens eben nicht.
Die Dämme brechen!

Die Sucht fordert den Tribut,
setzt ihren Willen stets durch

Der Tempel des Ordens

Im griechischen Stil
Die Säulen tragen alles
Welch Opferstätte!

In diesen Hallen beten
und danken sie ihrem Gott

Einfach mal losrennen!

Auf seine Krise
reagiert er mit Laufen:
Marathondistanz

In Bewegung bessert sich
sein Blickwinkel rapide

Bittere beklemmende Beichte

Stein auf dem Herzen
Die Seele ausgeschüttet
Schatten offenbart

Besser unausgesprochen
ist so manches Geheimnis

In sportlicher Topform

Austrainiert und dünn
mit niedrigem Ruhepuls
und vielen Muskeln

So lange für geschuftet,
doch so schnell ist Form dahin

Die abgehörte Besprechung

Die Konzernleitung
bespricht Strategiepapier
in kleinem Kreise

Manch Ohr hört heimlich mit und
macht eifrig seine Notiz

Das Erbe der Menschen

Was bleibt denn übrig,
wenn alle ausgestorben?
Ruinenlandschaft

Natur vereinnahmt alles,
sie schluckt Technik und Städte

Der klägliche Klagende

Seine Stimme bebt
Litanei großer Trübsal
Tiefes Klagenmeer

Zur Kunstform erhoben hat
er die Kläglichkeit gekonnt

Neues Ausprobieren!

Wer den Horizont
nicht ständig erweitern will,
sieht immer Gleiches

Routine aufzubrechen,
ist des Menschen erste Pflicht

Schicksal eines Waldtieres

Im Fadenkreuz drin
Schuss besiegelt sein Schicksal
Kalter Waldboden

Schon bald wird sein Platz gefüllt
mit immer neuen Opfern

Er hat den Zünder!

Eine Bewegung
Nur das leichte Drücken reicht
Schon explodiert es!

Die Macht konzentriert auf den
gekrümmten Zeigefinger

Das passende Wetter

Schlecht gelaunt schaut er
aus seinem Fenster heraus
und sieht nur Regen

Melancholisches Wetter
Das Gemüt spiegelt wider

Der gestürzte Diktator: Opfer seiner eigenen Verleumdungen

Eigene Lügen
bekommt er nun zu spüren:
Es wird heimgezahlt!

Der alte Machtapparat
verschlingt seine Kinder auf

Ein Ornithologe auf Kuba

Welcher Vogel fliegt
vom Kontinent herüber
und landet wohl hier?

Es sind die Waghalsigen,
stets neugierig in der Luft

Jemand hängt am Aufzug

Am Stahlseil haltend
Den tiefen Schacht unter sich
Leicht schwingend im Takt

Welche Geistesgestörtheit
trieb ihn zu solchem Akt an?

Tote für ein Gemälde

Was für einen Wert
besitzt ein Weltrang-Kunstwerk?
Unbezahlbarkeit?

Aufzuwiegen in Leben?
Beglichen mit den Toten?

Die Invasion der Biberfelljäger

Sie wollen den Pelz,
der sie satt und sehr reich macht,
ihnen Zukunft gibt.

Konkurrenz in den Wäldern
Verdrängt werden Mensch und Tier

Jemand steht in der Kreide

Schulden erdrückend
Das Darlehen so knebelnd
Kredit zermürbend

Die Last der Rückzahlungen
wiegt schwer auf seinen Schultern

Niederlage vor dem Ausschuss

Fragen durchlöchern
Vorwürfe erhärten sich
Anklage wiegt schwer

Vor dem Gremium sieht er
wie ein Schwerverbrecher aus

Hochfliegende Ambitionen bruchgelandet

Alles erreichen
Neue Höhen erklimmen
Rekorde brechen

Gebrochen wurde nur er,
geopfert auf Sieg-Altar

Erblindung als Ausrede

Oftmals spielt er gern
den blinden Behinderten,
der nichts mitbekommt

Er erhält so Mitleid und
genießt die Aufmerksamkeit

Die 47 Rōnin ruhen im Sengaku-ji

Samurai-Treue
Ihrem Fürsten ergeben
Rache-Planungen

Wie im Leben, so im Tod
Gemeinsam kämpfen, sterben

Liebt Mr Smith dich?

Ist es nur gespielt?
Vielleicht die wahre Liebe?
Benutzt er sie nur?

Sie wacht eines Tages auf,
fürchtet sich vor der Antwort…

Welch geniales Scheusal!

Intelligenz ist
keine Garantie für ein
gutes Gewissen

Moral und Begabung sind
keine Brüder im Geiste

Die nicht abgefeuerte Waffe

Den Wolf anvisiert
Die Zeit steht still im Walde
Die Gelegenheit

Das Tier dreht seinen Kopf um,
beobachtet den Schützen

Der Chef stört das Tête-à-Tête

Wie kann man von der
Arbeit abschalten, wenn der
Chef danebensitzt?

Bis ins Privatleben reicht
der Arm des Arbeitsplatzes

Kommunikation über Zeitungsannoncen

Ohne Internet
Da funktionierte es auch
Ruhiger und besser

Damals konnten Menschen noch
richtig lesen und schreiben

Ein lästiger Spieß wird umgedreht

Sich aus der fiesen
Umklammerung zu lösen,
ist lebenswichtig

Manchmal gelingt es sogar,
den Spieß gänzlich zu drehen

Sternschnuppenwunsch

Nachthimmel leuchtet
Viele goldene Streifen
Licht haucht Leben aus

In dem kurzen Moment wünscht
man sich Sterne vom Himmel

Ein Vorbild zeigt sein wahres Ich

Wüssten die Fans bloß,
wie er sich wirklich benimmt,
flöge alles auf

Die Saubermann-Fassade
verhindert weit Schlimmeres…

Ein nett gemeinter Hinweis

Die meisten Tipps sind
gewissenhafter Natur:
Doch keiner hört zu!

Fehler selber zu machen,
ist wohl der einzige Weg

Schlachthof als neues Zuhause

Die nächste Fuhre
Ladungen voller Tiere
Die vielen Laute!

Letzte Station für alle
Es handelt sich um Stunden

„Mach die Tür auf!“

Einlass begehren
Den Zutritt lauthals fordern
Pforten öffnen sich

Erhält man nie den Zugang,
sind Chancen Illusionen

Ihre immense Charakterstärke

Stets Kurs zu halten,
während Schicksal ständig aus
allen Rohren schießt

Die Kunst der inneren Kraft
hat sie meisterlich vollbracht

Zerwürfnis im Hangar

Streit an einem Platz,
an dem man kommt und schnell geht,
wegfliegt für immer

Mit den vielen Winden fort
In die Lüfte enthoben

Der selbstgestrickte Wollpullover

Eigene Note
im Einheitslook, der heute
das Bild dominiert

Von Hand gemacht bedeutet
mit Liebe dabei zu sein

Die mitternächtliche Aussaat

In vielen Furchen
fällt unter den Augen des
Mondes der Samen

Erde drüber geschüttet
Welch sanftester Nachtregen

Der erdachte Löwenangriff

Er fabulierte
Märchen erzählte er gern
Mittelpunktssüchtig

Seine Lügen flogen auf
und er mit ihnen hinaus

Ein überfahrener Provinzgeier

Straße als Tatort
Regungslos auf dem Asphalt
Die Fahrbahnmitte

Niemand stieg aus und sah nach
Man fuhr weiter, als sei nichts…

Das Kunstmuseum Gettys

In weißen Klötzen,
hoch auf den Brentwood-Bergen
thront die ganze Kunst

Das Öl wurde transformiert
in teuerste Gemälde

Ende

© 2023 Stefan Bachmann https://www.japanische-gedichte.de