Jahr 2008Japanische Gedichte

Japanische Gedichte – Tankas – Entstehungsphase 03 Quartal 2008











Der zugenagelte Briefschlitz

Der Haustür Öffnung
nun für immer verschlossen
für die Außenwelt

Ein Heim verfällt dem Alter
Der Horror-Bretterverschlag









Eine unangenehme Erinnerung

Sie taucht plötzlich auf
Ohne konkreten Anlass
Immer mal wieder

Aus Zeiten, die man so gern
hinter sich lassen möchte









Der abgesetzte Diktator

Land ausgeplündert
Wirtschaft komplett ruiniert
Das Volk drangsaliert

Seit Revolution spielt er
in seiner Villa Karten









Der Besenritt der Hexe

Zwischen den Wolken
Bei Vollmond im Nachthimmel
Schatten fliegt vorbei

Ihr höllisches Gelächter
schallt in den letzten Winkel









Kriegsgott Mars trifft Vorbereitungen

Der Rachefeldzug
wird umfassend blutig sein,
hart ausgetragen

Rundumschlag gegen Feinde
Abrechnung für allezeit









Ein Volk guckt weg

Hass breitet sich aus
Man wählt den Rattenfänger,
schließt dann die Augen

Man folgt der simplen Botschaft
bis in den dunklen Abgrund









Ist der Hotelier noch effektiv?

Zieht er Kunden an?
Überzeugt er die Gäste?
Steht er dahinter?

Das Hotel bleibt leer und stumm
Staub türmt sich in den Zimmern









Man vergewissert sich

Des Menschen Natur
ist das Gewohnheitswesen
ihrer Routine

Kommt etwas Neues daher,
so prüft man gewissenhaft









Bankiers-Meeting in der Oper

In Loge vereint
Sie folgen den Klängen kaum,
denken ans Geschäft

Wer kann Kultur genießen,
wenn es ums Verdienen geht?









Keine Gabe, sondern Fluch

Ist man seiner Zeit
schlicht zu weit vorausgeeilt,
liegt man doch zurück

Was hat man von Erkenntnis,
wenn sonst keiner sie versteht?









Eine Einladung mit altertümlichen Lettern

Wenn sie zum Fest ruft,
mit Brief und Siegel edel,
kommt jeder gerne

Sie öffnet ihre Pforten
zum exklusiven Tanzball









Thallium im Handy

So ähnlich wie Blei
Schlimmer als das meiste Gift
Man will ihn töten

Unbemerkt schadet er sich,
macht selbst die ganze Arbeit









Sethos: Ein Pharao liegt im Sterben

Wozu hat er den
Totentempel bei Abydos
erbauen lassen?

Seine Seele zieht weiter
Seinem Körper ist es gleich









Eine Frauen-Fata Morgana

Er kennt das Gesicht
Bekannte Silhouette
Vertraute Gestalt

Als sei sie nicht wirklich, als
existiere sie zum Schein









Die Prüfung der Stromschaltpläne

Kerzenschein flackert
auf den komplizierten Plan,
schönes Schattenspiel

In den Lichtverhältnissen
wird es niemals hell werden









Der aufgebrachte Fanclub

Sie sehen ihn als
persönliches Eigentum,
das für sie stets singt

Er will damit aufhören
Doch sie lassen es nicht zu









Zu schnell zurückgekommen

Noch war sie böse
Gegen ihn stark aufgebracht
Immer noch sauer

Hätte er doch nur länger
mit der Rückkehr gewartet









Der Abgang der Tüftellegende

Er wird so fehlen
Ohne sein Erfindergeist,
keine Neuerung

Innovation bleibt nun aus
Erst Stillstand und dann Rückschritt









Prestigegebaren

So affektiert sein
Ganz hoch tragen die Nase
Stark eingebildet

Wer denkt, dass er mehr wert ist,
hat keinen Wert bewiesen









Das Spiel mit der Angst

Die Furcht lässt sich leicht
gegen Menschen einsetzen
mit großem Erfolg

Es ist ein Spiel des Abgrunds,
das so leicht sich drehen kann









Bedaure nicht die Toten

Sie haben Ruhe,
sind frei von Angst und Trauer,
kennen kein Leid mehr

Es sind nur die Lebenden,
die Mitleid viel verdienen









Ein Gemahl für immer?

Sie betrachtet ihn
mehr als die Zwischenstation
für was Besseres

Lebendes Sprungbrett ihrer
maßlosen Ambitionen









Ein Hotelzimmer in Port au Prince

Wackelndes Sofa
Tapete hängt herunter
Fenster schließt nicht gut

Die Aussicht auf das Elend
Slums auf den Bergen der Stadt









Der zweckentfremdete Feuerlöscher

Anstatt zu löschen,
wirft er ihn durch das Fenster,
zertrümmert das Glas

Sie können sich so retten
aus den Fängen der Flammen









Ein Coaching mit Erfolg

Er sieht Schwachstelle
Diesen Knoten löst er auf,
bewirkt manch Wunder

Charakter-Transformation
Zusätzliche Energie









Ein charismatischer Vater

Mit großen Augen
blicken sie zu ihm hinauf,
bewundern ihn sehr

Väterlicher Mittelpunkt
ist Fels im Alltagsleben









In der Theorie sind alle gleich

Vor dem Gesetz sind
alle gleich zu behandeln,
doch manche gleicher

Die Praxis zeigt mal wieder
die vielen Ausnahmen auf









Wie sieht Blut im Licht des Vollmondes aus?

Es fließt langsam aus
Die dunkelrote Farbe
rinnt vom Arm herab

Kommt keiner mehr hier vorbei,
so trifft der Tod dann bald ein









Die lange Waschbeckenreihe

Gruselig feuchtkalt
Abweisende Fliesenwand
Ein Hahn tropft ständig

Hier wuschen sie sich alle
In einer langen Reihe









Der clevere Kräuterkundige

Jede Krankheit heilt
er mit seinem guten Sud
in recht kurzer Zeit

Auf Natur Stimme hörend
Vertrauend auf Harmonie









Todesstrafe für zwei Täter

So hochgeschaukelt
Dem Blutrausch ganz verfallen
Kein Innehalten

Nun werden sie gerichtet
Von der Einsicht keine Spur









Ein sehr großer Auftritt

Rampenlicht liebend
Ihre Bühne vergötternd
Aufmerksamkeitssucht

Erhält sie nicht die Geltung,
so verfällt sie unglücklich









Hinter den Toren von Walhalla

Tafel der Krieger
Das Reich der Königssöhne
Saal aller Kämpfer

Nur die aller Tapfersten
durchschreiten diese Pforten









Sie verpetzt alle!

Wer ihr anvertraut
ein wichtiges Geheimnis,
hat ein Problem mehr

Sie bringt alles zur Sprache,
behält rein gar nichts für sich









Todesdrohung an alle

Fast ganz geschlagen
Nahezu komplett besiegt
Beiseitegedrängt

In der Aussichtslosigkeit
bedroht er ab jetzt jeden









Exaktes Fingerspitzengefühl

Die Uhrmechanik
so präzise fein gebaut
verzeiht nicht Fehler

Nur die Exaktheit verleiht
die Macht im Mikrokosmos









Die Überweisung lässt auf sich warten

Bis jetzt kann er nicht
den Eingang bestätigen,
zuckt mit den Achseln

Mitten im Daten-Wirrwarr
reist Geld digital umher









Luxus aus alten Zeiten

Früher war mehr Zeit
Muße hatte seinen Platz
Kraft in der Ruhe

Der Takt der Existenz schlug
deutlich langsamer als jetzt









Die geheimnisvolle Schöne verlässt die Stadt

Nachdem sie sehr viel
Unheil angerichtet hat,
geht sie einfach weg

Die Flucht feige ergreifend
lässt sie alles hinter sich









Box rettet Menschheit

Sie kann zuhören,
Konversation gut führen,
das Licht einschalten

Ohne diese Maschine
wüsste der Mensch nicht weiter









Indianerpfeile aus dem Nichts

In dem Augenblick
als ein Surren heranflog,
kam der große Schmerz

Erst brannte die Brust heftig
Dann brach die Kälte herein









Das Spiel mit dem Kugelschreiber

Das Klicken hört man
durchs ganze Büro hindurch
an jedem Schreibtisch

Hat man es erstmal im Ohr,
nimmt man nichts anderes wahr









Eine Entschärfung in letzter Sekunde

Der Bomben-Countdown
in roter Digitalzahl
zählt nicht mehr viel Zeit

Wenn man nur das richtige
Kabel durchschneiden könnte…









Die reichen mexikanischen Großgrundbesitzer

Gigantische Ranch
Ihr Land reicht zum Horizont
Zäune gibt es nicht

Sie sind neue Gutsherren
Die alten sind beseitigt









Missglückte Landung

Es ist keine Kunst
recht prachtvoll abzuheben,
sondern zu landen

Einen guten Piloten
sieht man am Hangar wieder









Vergebliche Zerstörungsversuche

Die alte Villa
sollte schon oft wegkommen,
doch noch steht sie da

Saniert und frisch gestrichen
blickt sie ins nächste Jahrzehnt









Die blaue Hochzeitsgesellschaft

Angetrunken wird
es richtig unangenehm
auf dieser Feier

Man hätte vorher besser
Alkoholverbot verhängt









Die Zeit läuft ab für mich

Welche der Pläne
kann ich jetzt eigentlich noch
wirklich umsetzen?

Ich denke nach und fürchte
mich vor der wahren Antwort









Ein Angriff auf die Gesellschaft

Man will die Normen
der Allgemeinheit nicht mehr
wahrhaft mittragen

Stattdessen sucht man sich ein
anderes Wertesystem









Ein ausgelüfteter Kopf

Nach tagelanger,
schwerer, geistiger Arbeit
braucht man wohl Pause

Die Energie zu tanken,
ist keine Zeitverschwendung









Ein steineklopfender Arbeiter

Den langen Hammer
in seinen Händen schwingend
haut er auf den Stein

Es vibriert durch die Knochen,
erschüttert Mark und Gehirn









Ohne Peilsender auf Mission

Die Nadel sucht man
im Heuhaufen nicht lange,
schon gibt man schnell auf

Wie soll man ihn verfolgen,
wenn man nicht weiß, wo er ist?









Die Polizei kann nichts mehr ausrichten

Ganz kaputtgespart
Verheizt in Überstunden
Keinen guten Stand

Wie soll sie uns noch schützen,
wenn die Unterstützung fehlt?









Der Sprengsatz im Kuchen

Mehl, Butter und Ei
Kalorien im Überfluss
Rundes Fettdepot

Wie die Bombe schlägt er ein,
liegt wie ein Stein im Magen









Beschlagnahmtes Flugzeug mit beschlagnahmten Piloten

Der Schmuggel lässt sich
nun mal nicht lange bitten,
kennt keine Grenzen

Auf Rollfeld ausgebreitet
liegt die kostbare Trouvaille









Den längsten Gang geht man allein

Wie groß auch immer
die Unterstützung sein mag,
das Ende geht man

einsam und allein entlang.
Schritte verhallen leise…









Getreuer Diener ihrer Majestät

Die Atemzüge,
die er Tag für Tag tätigt,
gelten der Krone

Ein Lebtag steht er im Dienst
des reichen Königshauses









Ein See voller toter Seelen

Es ertranken hier
so viele gute Schwimmer
im tückischen Sog

Als gliche Wasserfläche
einem großen Friedhofsplatz









Strandabenteuer in der Karibik

Besessen von den
alten Schatzunterlagen
gräbt und sucht er lang

Das türkise Paradies
sieht er mit keinem Auge









Ein Mensch als Gong

Während der ganzen
Zeremonie steht er still
neben der Schale

Hin und wieder schlägt er leicht,
schickt Schwingungen durch den Raum









Besudelt mit Dreck

Vom einstigen Ruf,
so sauber und makellos,
blieb nicht viel übrig

Welch schändlicher Flecken ist
mit dem Namen verbunden!









Die Kurve des Arakawas

Er teilt wie alle
Großstadtflüsse das gleiche
so strikte Schicksal

In Beton eingebettet
wird er durch Tokio gelotst









Nicht wählerisch in der Wahl seiner Geschäftspartner

Für guten Profit
schließt er mit praktisch jedem
die Geschäfte ab

Solange der Rubel rollt,
ist ihm alles gleichgültig









Sir Walter Loxley hat eine Idee

Ihm fehlt dringend der
männliche Erbe, um Hof
weiterzugeben

Warum keine Adoption
in der Schnelle durchführen?









Die Bombardierung Pearl Harbors

Es regnen Bomben
aus höllischem Hinterhalt
auf Insel-Idyll

Wellen treffen auf den Strand,
spülen viele Tote an









Ein Rottweiler an der Leine

Wild zieht er daran,
will seine Freiheit zurück,
fletscht mit den Zähnen

Er lauert auf die Chance,
sich plötzlich loszureißen…









Der Präsident unter Dampf

Morgens Besprechung
Mittags der Foto-Termin
Dann Krisensitzung

Zur Ruhe kommt er niemals,
selbst nachts wird er oft geweckt









Die Villen über den Klippen

Die beste Aussicht
Allerschönster Meeresblick
Das größte Grundstück

Manche reißen sich alles
gänzlich unter den Nagel









Eine Unerfahrene am Steuer

Sie steht Ängste aus,
zittert am ganzen Körper,
angespannt aufrecht

Nach einer längeren Fahrt
ist sie komplett aufgelöst









Abriss des Geheimdienstgebäudes

Generationen
von englischen Agenten
spionierten hier

Es soll dem Neubau weichen
Bereit für Cyber-Abwehr









Der isländische Eispalast

Wie ein Schloss aus Glas
Aus Eisblöcken gefroren
Kunstvolle Kälte

Nur die Temperatur hält
den splendiden Bau aufrecht









Der Coup wird vorgezogen

Überstürzt wollen
sie ihren Einbruch vorziehen,
Nerven liegen blank

Panik ist der schlechteste
aller miesen Ratgeber









Gekämmt und gut gekleidet

Sonst vernachlässigt,
heute schick angezogen,
aufwändig frisiert

Eine ganz neue Person
ist über Nacht entstanden









Spaziergang in stockfinsterer Nacht

Den Weg kennt er gut,
oft hat er ihn genommen,
jeder Stein bekannt

Ohne Sonne sieht alles
so vollkommen anders aus









Die bittere Wahrheit stört und verletzt

In einer Lüge
lässt es sich meist gut leben,
wenn man überhaupt

keine Fragen stellt. Man geht
der Wirklichkeit aus dem Weg.









Eine Idee in Flammen

Die bahnbrechende
Erfindung fängt schnell Feuer
und brennt komplett ab

Vom Pioniergeist bleibt nur
ein stinkiger Rauch übrig









Ein rettender Scharfschütze

Versteckt auf dem Turm,
hoch über dem Geschehen,
lauert er gespannt

Im Anschlag schirmt er seine
Truppen vor den Feinden ab









Auf Londons Dächern umherwandern

Man sieht das Erbe
des Empires von oben,
früherer Reichtum

Die Zeitreise im Herzen
Englands verändert die Sicht









Kleid mit Häubchen

Die Bediensteten
haben ihre Uniform
mehr als gründlich satt

Das Faktotum wird passend
zur Rolle eingekleidet









Ein begnadeter Hexenmeister

Macht aus Finsternis
Im Bunde mit dem Bösen
Dunkler Magier

In seine schwarzen Künste
ist niemand sonst eingeweiht…









Die Kapelle von Harvard

Ich trete ein in
die steinerne Stille des
großen Andachtraums

Abseits des Lehrbetriebs ist
Ruhe nur hier zu finden









Verbotene Liebende

Ihr Schicksal gleicht dem
von Romeo und Julia,
so bitter tragisch

Ihre Liebe führt zu nichts,
nur zu ihrem Verderben









Das Stadtrecht wird verliehen

Aus dem kleinen Dorf
wurde großer Siedlungsraum
und dann eine Stadt

Der Handel brachte Wohlstand
Aufstieg für alle Schichten









Der Steckbrief des ersten Verbrechers

In der Brusttasche
Schön zusammengefaltet
Säuberlich lesbar

Des Sheriffs Glücksbringer ist
der allererste Steckbrief









Ein abgefangener Juwelier-Anruf

Die Goldbestellung,
des Schmuckherstellers Rohstoff,
trifft am Abend ein

Schnell laufende Gestalten
nähern sich dem Eingang an…









Nichts ist langweiliger als die Rente

Den Tag lang nichts tun
Abwarten und Tee trinken
Wände anstarren

Das Leben ist nicht vorbei,
doch das Gefühl sagt „Ende!“









Ein Spiegel am Ende des Wegs

Ist man seinen Pfad
nun bis zum Schluss gegangen,
folgt dann der Rückblick

War es die rechte Route?
Kann man stolz auf sich selbst sein?









Die Tochter des Drogenbosses

Nett war man zu ihr,
ganz erzwungenermaßen
lächelte man an

Erst als ihr Vater rasch fiel,
sah sie die wahren Mienen









Der denkwürdige Fahrstuhlauftritt

Schnell ging sie hinein,
schimpfte auf alles, jeden,
trat vor die Türen

Plötzlich stockte der Fahrstuhl
und die Lichter gingen aus









Braunes Gras in den Vorgärten

Wenn erlösender
Regenfall lange ausbleibt,
verdorrt die Landschaft

Was früher saftig grün war,
ist gelb, trocken und staubig









Unlautere Ablenkung

Wer sich den Vorteil
auf ungerechte Weise
bösartig sichert,

der hat den Sieg und Erfolg
in keiner Weise verdient









Wer atmet, der lebt

Odem des Lebens
Der feinstoffliche Äther
Prana-Energie

Wer die Lungen damit füllt,
den durchfließt Vitalität









Jimmie Reese, der Yankee

Baseball-Legende,
die für mehr als den Sport steht,
begeistert alle

Lebensgroßes Monument
überstrahlt ganze Liga









Eine seltene Schmetterlingspuppe

Hässliche Larve
wird die Schönheit entdecken
und davonfliegen

Flügelmuster-Rarität
hebt sich langsam in den Wind









Sterilisierte Intervention

Wenn die Zentralbank
in den Markt eingreift, weiß sie
niemals, was passiert

Sie hofft auf guten Ausgang
Doch ganz sicher ist sie nicht









Ende

© 2023 Stefan Bachmann https://www.japanische-gedichte.de