Japanische Gedichte – Tankas – Entstehungsphase 02 Quartal 2005

Ein Läufer verduftet im Wald

Einsamer Jogger
Dreht seine Runden im Wald
Unbeobachtet

Leise die Schritte hallen
Der Atem strömt stärker aus

So wird ein Treffen einberufen

Uneins in allem
Weit entfernt von Einigkeit
Zerfall der Mannschaft

Zusammenkunft soll wieder
die Einheit wachsen lassen

Heikler Auftrag für einen Speznas

Nur eine Chance
Russland den Rücken kehren?
Nie wieder zurück?

Ihn wird die Rache treffen,
doch die Freiheit lockt zu sehr…

Ein Priesterloch

Als die Christen sich
noch gegenseitig hassten
war ein Versteck gut.

Ein Altar in der Mauer
Ein Priester hinter der Tür

Das Ziel: die Londoner City

Seine Ausbildung
ausgerichtet auf ein Ziel:
Die Hochfinanzen

Dort, wo das Geld lebt, pulsiert,
will er seinen Platz haben

Die Squash-spielenden künftigen Kollegen

Elitärer Club
Schon als Schüler spielte er
mit seinem Vater.

Fein geknüpfte Netzwerke
Angefangen von klein auf

Das Baseballfeld am Pazifik

Das Ozean-Spiel
Bälle geschlagen so fern
ins Wasser hinein.

Wie die Ebbe und die Flut,
so gewinnt man und verliert

Ein guter Untersuchungsansatz: Das Privatleben

Nach Unrat graben
Gezielte Schmutzkampagne
Man wirft mit Dreck, Schlamm

Privates wird öffentlich
Verzerrung einer Person

Die einäugige Hexe

Sud im Kessel gärt
Sie rührt mit einem Auge
Sankt-Walpurgisnacht

Der Trank wird sie verjüngen
In die Lüfte hoch empor

Der Regen ohne Gnade und Unterlass

Die Wolken mit Macht
Blitz und Hagel zusammen
Unwetterschrecken

Das Wasser erdrückt das Land,
droht alles zu verschlingen

Motoröl als Proviant

Die teuren Autos
Die Millionenkolonne
Das ganze Benzin

Irgendwann merken sie es:
Das Öl lässt sich nicht essen!

Welch gefährlicher Nachhauseweg

Ein so kurzer Weg
Jeden Tag zurückgelegt
In so schneller Zeit

Eines Tages ist sie nicht
mehr nach Hause gekommen

Kampf um den einzigen Sitzplatz

Wer will schon stehen?
Wer möchte zurückstecken?
Streit um jeden Preis

Höflichkeit galt früher was
Heute zählt Hartherzigkeit

Immer mehr Verletzte

Weiter Unfallort
Man kämpft ums Überleben
Schwierige Sichtung

Man wird schnell zur Schlagzeile
Vom Tod hoffnungslos umringt

Ein stiller Messerkampf

Ohne die Schüsse
So gefährlich harmlos ruhig
Schnittverletzungen

In Grabesstille kämpfen
Blut fließt in aller Ruhe

Schüsse auf die Wasseroberfläche

So schön glatt der See
Nur der Wind streicht die Fläche
Ein Stein trifft nun auf

Das maximale Chaos
mit minimalem Eingriff

In Russland gibt es viele Parvenüs

Kometenhafter
Geldzufluss in kurzer Zeit
Reichtum über Nacht

Aus dunklen Ecken steigen
Gestalten rasant hervor

Das winzige verräterische Zeichen

Ein Pokerspieler,
der sich selbst ständig verrät,
geht so rasch unter.

Sind es etwa die Augen?
Zuckt der Mundwinkel wieder?

In der Nacht durch den Rio Grande

Grenzfluss der Hoffnung
Im Dunkeln überqueren
Ins gelobte Land

Mit Aufgehen der Sonne
beginnt ein neues Leben

Langsam ausrollen lassen

Die rote Ampel
Auf so großer Entfernung
Ein Ausrollsignal

Steter Verkehrsvorwärtsfluss
für einen Moment stoppen

Die Telefonpetze

Nichts anvertrauen
Er wird alles verraten,
behält nichts für sich

Er schwärzt Leute gerne an,
glaubt gerecht zu agieren

Die Todesabmachung

Sie einigen sich
Verheiratet so lange
Zusammenstehen

Stirbt einer vor dem andern,
so folgt dieser hinterher

Um sein Leben sprinten

Wichtige Schritte
Jetzt kommt es auf Schnelligkeit
so entscheidend an

Es gibt Augenblicke, da
ist Stolpern einfach tödlich

Angst vor dem ersten Spiel

Das Lampenfieber
sorgt für Zittern und Schaudern.
Panik steigt zu Kopf

Im Spiel selbst wird es gehen
Nur davor ist es quälend

Die römische Villa Malibus

Villa Papyri
außerhalb Italiens?
Getty baut den Traum

So aus der Zeit gefallen
Ein Ort ohne Rom-Bezug

Die Elevinnen

Mädcheninternat
Nach außen hin gesittet,
friedlich und höflich

Im Inneren herrscht Gezank,
Ausgrenzung, Reibereien

Er registriert sich

Diese Wahl wird er
unbedingt mitentscheiden.
Mitbestimmungsqual

Es bringt nichts nur zu zürnen,
lieber aktives Ändern

Ein Ring sprengt die Decke

Schwerer Betonring
Zu massiv für den Boden
Etageneinsturz

Berechnungen und Pläne
schützen nicht vor einem Pfusch

Alles meins? Der kurze Gewinn!

Was man schnell gewinnt,
in seinen Händen zerrinnt,
rasch wieder verschwind.

Ein anderer Besitzer
Er freut sich auch nur sehr kurz

Ständig auf Dauerreisen

Rund um den Globus
In vielen Ländern zu tun
Reisen und Arbeit

Man verliert sich auf der Welt
Weiß nicht mehr um die Heimat

Der grauenvolle Klang der Kollekte

Münzen klimpern laut
Akustische Forderung
Spendenzwang reihum

Gruppendruck in der Kirche
Wer nichts einwirft bleibt lautlos

Full House für Monsieur

Glück im Kartenspiel
Die Werte waren günstig
Chancenberechnung

Lauter Casinojubel
Bald wird es wieder leiser

Fluch für Bankangestellte

Raubgelegenheit
Geld zieht Kriminelle an
Wie Motten das Licht

Wer hat keinen Überfall
jemals durchstehen dürfen?

Jemand schwingt das Tanzbein

Bewegung, Musik
Ein Rhythmus zum Aufspringen
Freude am Tanzen

Die Ausgelassenheit ist
an ihrem alten Ursprung

Zwei Geheimagenten fliehen getrennt

Von da an sahen
sie sich niemals mehr wieder.
Zu keinem Zeitpunkt

Sie hatten ihr Team gesprengt,
die Wege ganz zerschnitten

Das klingt immer gut

„Ich liebe Dich sehr!“
So wohlklingende Worte
Zufriedenstellend

Es sind die schönen Sätze,
schon ist alles erträglich

Der Tagebuchroman

Die Einträge sind
die ganze Geschichte von
Anfang bis Ende.

Einsichten eines Lebens
außerhalb jeglicher Norm

Auf der Brücke gestellt

Festnahme mitten
auf dem pompösen Pont Neuf
im Pariser Herz

Die Seine als weiser Zeuge,
der den Fluss der Zeit gut kennt

Der zappelige ADHS-Kandidat

Die Aufmerksamkeit
fliegt davon so leichtfüßig,
mal hier-, mal dorthin.

Ohne wirklichen Fokus
ist alles ungenießbar

Ein Aufstieg in Rekordzeit

Den Berg erklommen,
einsam auf die Spitze zu,
in der Fabelzeit

Als würde er ein Rennen
gegen sich selbst bestreiten

Reaktion auf den Terrorismus

Von Furcht ergriffen
Angst bestimmt nun das Leben
Diktat des Schreckens

Sie zerstören die Freiheit,
bringen Tod und Verderben

Eine Lauscherin namens Dorothy

Haushälterin lauscht
Spion im eigenen Haus
Alles überwacht

Hier bleibt nichts ungesehen
Vier Wände – ein Gefängnis

Kampfhund von der Leine

Keine Gängelung
Bestie außer Kontrolle
Brutal herfallen

Keine Angst vor den Hunden,
Furcht vor den Haltern haben!

Eine Familie erwartet Nachwuchs

Einer mehr im Haus
Das Gefüge ändert sich
Alles verschoben

Man blickt auf das kleine Ding,
sieht unschuldige Augen

Die erzwungene Kooperation

Wer gerne allein,
nicht zusammen arbeitet,
für diesen ist es

eine Horrorvorstellung,
plötzlich im Team zu spielen

Über Paris, nicht über Calais

Wer die Küste sucht
wird sie über der Hauptstadt
niemals erblicken

Manch Weltwunder zu sehen,
aber keines von Natur

Besuch im Regenwald

Schwere Atemluft
Wald scheint zu beobachten
Augen überall

In den Kronen hocken sie,
schauen nur auf uns herab

Ein Kasten aus Panzerglas

Juweleninhalt
Millionen glitzern farbig,
funkeln und blinken

Fast unzerstörbares Glas,
so wie die Diamanten

Destillation im Alambik

Kugel aus Messing
Erhitzt durch großes Feuer
Es kocht, dampft und gart

Die graue Masse verliert
ihren kostbarsten Inhalt

Ein orthodoxes Heiligtum

Die Zwiebeldächer,
gemalt in bunten Farben,
stechen stark hervor.

Ein gänzlich anderer Stil,
um Gott sein Haus zu bauen

Zehn Stockwerke in voller Montur

Mit Glas verkleidet
Als Front tausende Fenster
Sonne reflektiert

Von Menschenhand errichtet
erscheint es wie ein Felsen

Zwei perfekte Alibis

Stichhaltig und fest
Sich gegenseitig decken
Der Schutz durch Lügen

Wenn Unwahrheiten helfen
schaut das Unrecht munter zu

Eine Hochzeit wird gesprengt

Für immer schweigen?
Besser rechtzeitig reden
Sachen aufdecken

Untreue vor der Ehe
Es schlägt wie die Bombe ein

Der entscheidungsarme Oberste Gerichtshof

Die Akten verlegt
Unentschiedenes Urteil
Sachen verzögert

Mühlen der Justiz mahlen
diesmal überhaupt nicht mehr

Männer im Schottenrock

Rot und grün kariert
Die Muster zeigen ihre
Zugehörigkeit

Das Wappen schottischer Clans
markiert Reviergebiete

Des Gourmets Gaumen

Exquisit justiert,
dass er nur Feines goutiert,
was man ihm serviert.

Er hasst Wiederholungen
Immer Neues aufgetischt

Formeln lösen Probleme

Zahlen regieren
Herrscherin Mathematik
Sie gibt den Takt vor

Die Weltformel zu finden,
um sie danach zu kürzen

Feuer im Raum

Flammen am Regal
Das Zimmer hell erleuchtet
Rauchentwicklungen

Ein einzelner Raum reicht aus
für ein ganzes Gebäude

Unsere unerschöpflichste Quelle der Magie

Kreativzauber
Die Phantasie endet nie
Keine Grenzen mehr

Umso mehr man von ihr schöpft,
desto mehr kommt von ihr nach

Die Rettung wird gehängt

Der Retter baumelt
tot vom Ast, aufgeknüpft vom
blutrünstigen Mob.

Seine gute Tat wurde
mit der Hinrichtung belohnt

Immer das gleiche Geschenk

Das Weihnachtspräsent
steht am Jahresanfang fest
und ändert sich nicht

Die Routine beim Schenken
Die Öde beim Auspacken

Stimmproben vor der Schalte

Ein Stimmentraining
vor dem Beginn der Sendung
sorgt für Sicherheit

Ton macht nun mal die Musik
Einstellung der Tonlage

Die schlechteste Entschuldigung aller Zeiten

Auswendiggelernt
In einem schlechten Schauspiel
kurz vorgetragen

Das Pardon ist Heuchelei
Billig verpackte Lüge

Ein Wagen für den volljährigen Sohn

Freiheit mit Motor
Vier Räder für den Nachwuchs
Spaß bei Raserei

Ein Straßenkreuz erinnert
an das einst teure Geschenk

Charme entlegener Regionen

Abseits der Ströme
Ohne Touristenmassen
Keine Horden hier

So lernt man Landschaft lieben,
einfache Dinge schätzen

Ertrinken und Auftauchen

Gefühl der Enge
Unter-Wasser-Todesangst
Greifbares Ende

Lebend herausgezogen
Es gleicht wie eine Geburt

Durch die Lüfte segeln

Die Feder fliegt leicht
Jeder neue Hauch gibt ihr
den Richtungswechsel

Sie kennt keine klare Bahn,
darf ihren Kurs nicht halten

Hitze wie Blei

Der Sommer erdrückt,
hält alles im Würgegriff,
schenkt keine Pause.

Land verdorrt, Tiere leiden,
man hätte gerne Winter

Wenig Land zum Expandieren

Japans Problem ist
ewiger Dauerbrenner:
Nicht einfach lösbar!

Viele Berge kaum Flächen
Boden dem Meer abtrotzen

Die Luftschlacht um England

Kampf in den Lüften
Sich die Vorherrschaft sichern
Hohe Verluste

Ärmelkanal als Puffer
Alles stand dann auf dem Spiel

Ein Windhauch jagt durch die Unterführung

Unter der Straße
Dunkle Gasse am Abend
Furcht im Nadelöhr

Schritte hallen im Tunnel
Die Beute in der Falle

Wie Ameisen unter der Haut

Stark eingeschlafen
Das Bein nicht mehr durchblutet
Bewegungsmühe

Als würden die Ameisen
in meinem Körper laufen

Die ungesühnte Tat

Die Straftat verjährt
Die Sache damit geklärt
Akte vernichtet

Wie wird das Unrecht denn nun
geradegerückt werden?

Wieder in Uniform

Das Abenteuer
verdeckte Ermittlungen
ist nun beendet.

Mit dem offenen Visier
kämpft es sich viel ehrlicher

Die Unsympathischen

Man kann einfach nicht
ihnen sein Herz ausschütten,
zu unangenehm.

In ihren Gesichtern steht
ihr Wesen ganz geschrieben

Der verbrannte Baum

Die stolze Krone
So grün, mächtig, üppig groß
Voller Naturkraft

Nur ein verkohlter Baumstamm
als trauriger Rest noch da

Der beste Bogenschütze

In all den Wäldern
wird es keinen Besseren
mehr als ihn geben

Mit dem Bogen in der Hand
ist er zur Welt gekommen

Die Stille in der Abteilung

Die Kündigungen
schweben über den Köpfen
wie scharfe Schwerter

Erzwungene Ruhe der
unstillbar Hoffnungslosen

Von der Werbeagentur in den Krieg

Eingezogen von
der Firmenschwelle direkt
an die Frontlinie

Kugeln statt Werbetexte
Tod und keinen Slogan mehr

Die Macht der Unterhaltungsindustrie

Allein entscheiden
sie, was wir schauen, denken
und lustig finden.

Sie formen Anschauungen,
Ansichten und Meinungen

Die Eröffnung des Ladens

Ein Pulk will stürmen
Eine Horde will hinein
Die Menge kreischt, schreit

Türen des Einkaufszentrums
lassen die Schafe nun ein

Das Polo-Feld

Rasen der Reichen
Freizeitspaß der Wenigen
Erlauchter Sportkreis

Beim Sport muss das Abgrenzen
unbedingt erhalten sein

Ein Kind kündigt sich an

Höhere Kosten
Keine lange Nachtruhe
Weltreisen vorbei

Was macht das alles schon aus,
wenn man ihn im Arm sanft trägt?

Putsch und Ölquellen

Mit Ölexporten
und Militärregierung
ein Land vereinen?

Sitzt man erst auf der Quelle,
so sitzt man fest im Sattel

Der HALO-Absprung übers Mittelmeer

Das Mare Nostrum
Von oben so klein, hellblau
Ein Meeresbassin

In der Entfernung staunt man,
wie unbedeutend es ist.

Der neue Dünger

Es grünt viel schneller
Die Pflanzen werden größer
Der Ertrag mehrt sich

Immer mehr Menschen brauchen
immer mehr Lebensmittel

Traue keinem Schweizer Bankier!

Hoch in den Alpen
Das Geldwäsche-Paradies
Schwarzgeld im Schneeland

Die dunklen Bankschließfächer
bergen manch Geheimnisse

Tod aus sicherer Entfernung?

Ein Gift verabreicht
Dann verreist und verschwunden
Gänzlich abgetaucht

Aus kaschierender Distanz
den Mord vergnüglich feiern

Verflogene Verzagtheit

Früher nur schüchtern
Gehemmt und passiv gelebt
Stets nur zugeschaut

Heute ein ganz neuer Mensch
Nun sucht er den Mittelpunkt

Das Feuer und der Suppenkessel

Wohlige Wärme
Schöne knisternde Laute
Lockender Geruch

Rot-gelbes Licht am Abend
Die warme Suppe labend

Verräterische Frauenstimmen im Hintergrund

Telefongespräch
aus seinem Hotelzimmer
nach Feierabend

Flüsternde Frauenstimmen
Eine Ehe endet hier

Ein Regen von Geldscheinen

Scheine am Himmel
Sie fallen kreisend herab
Gierig gefangen

Man bückt sich nach Papiergeld
In Händen wertloser Müll

Die verlegten Haarimplantate

Haarsurrogate
unauffindbar verschwunden,
wie verschluckt worden

Man wird ihn nicht erkennen
Sein Schopf Erkennungsmerkmal

Das Konzert so nah am Himmel: Der Starlight Bowl

So natürlich frei
Unter dem Sternenhimmel
Getragen vom Berg

Zahlreiche Abendklänge
Wunderschöne Nachtmusik

Ein Kaiserreich am Abgrund

Der adlige Schein
Alte Institutionen,
die nicht mehr lohnen.

Sehenden Auges fällt man
in vernichtende Tiefe

Ende

© 2022 Stefan Bachmann https://www.japanische-gedichte.de